Windkraft – für uns ein Thema

„Windenergie löst all unsere Probleme!“ Als freiberuflicher Wissenschaftler würde Dr. Felix Riedel so etwas niemals sagen. Das wäre unseriös. Dass der Ausbau der Windenergie dennoch nötig ist, erläuterte er am Donnerstag, den 16. September, im Württemberger Hof in Möckmühl. An diesem Abend erneut zu Gast bei Bündnis 90 / Die Grünen war Isabell Steidel, die Direktkandidatin im Landkreis Heilbronn.

Felix Riedel möchte die im rechten Spektrum populären Vorwürfe gegen Windenergie wissenschaftliche entkräften. „Das entzieht der antiökologischen Propaganda der AfD und ihrer Dunstkreise die Grundlage.“ Zugleich zeigte der Referent das große Potential der Windkraft auf.

Drei Behauptungen verunglimpfen den unendlichen Energieträger Wind zumeist: Tötung von Vögeln, Zerstörung von Waldflächen und die Unmöglichkeit der Entsorgung alter Anlagen.

Vogelschlag? Ja, aber…

Tatsächlich werden etwa 100.000 Vögel jährlich durch Windkraftanlagen getötet. (Das entspricht drei Vögeln pro Anlage pro Jahr.) Dennoch seien die meisten Populationen von Großvögeln in den letzten Jahren gewachsen, zeigte Felix Riedel auf. Den teils feststellbaren Rückgang von Kleinvögeln sieht er im Bereich der Insektenfresser und Wiesenbrüter. Die Ursachen hierfür lägen keinesfalls bei Windanlagen. In deren Höhen seien Kleinvögel normalerweise nicht unterwegs. Ursache hierfür sei vielmehr unökologische Flächennutzung. Zudem würden bei der Neuanlage von Windparks Flugrouten und Lebensräume viel besser berücksichtigt als das in den Anfangszeiten. „Die Standortwahl muss natürlich wohl überlegt sein!“, mahnte Felix Riedel. Auch automatische Abschaltungen würden immer effizienter. „Windanlagen bedrohen nicht unsere Vogelbestände! Das ist ein klares Scheinargument!“

Wirkliche Flächenzerstörung durch Kohle

Hinsichtlich vermeintlich gefährdeter Arten stellt er zudem die Frage, inwiefern verbreitete Fichtenmonokulturen (die für ihn nicht „Wald“ sind) ökologisch sinnvoll seien. Für den Bau notwendige Rodungen erzeugen lichte Freiflächen, die eher einen Gewinn für die Artenvielfalt bedeuten. Nach Ansicht des Referenten steht der Rodungsaufwand auch bei weiterem Ausbau der Windenergie in keinem Verhältnis zu der immensen Landschaftszerstörung, die Kohleenergie verursacht hat (siehe Tagebau in Kohlerevieren) und weiter verursacht: Bis in alle Ewigkeit müsse immense Energie aufgewendet werden, um das Grubenwasser aus Hunderten Kilometern von Schächten und Stollen des stillgelegten Bergbaus fernzuhalten; andernfalls droht Vergiftung unseres Trinkwassers.

„Aber man kann ausgediente Anlagen nicht entsorgen!“, hört man von Windkraftkritikern als Totschlagargument. Hierzu lächelte Felix Riedel müde: Das einzige Problem stellten bislang die Rotorblätter dar. Hier gebe es bereits gute Erfolge, das Verbundmaterial zu schreddern und der Wiederverwertung zuzuführen. Und wenn man sie einfach verbuddeln würde, meint der Fachmann augenzwinkernd, wäre das keine Umweltbelastung, da das Glasfaserverbundmaterial keinerlei chemische Prozesse mehr durchläuft. Von der vollkommenen Unmöglichkeit, den Müll der Atomkraftwerke auch nur ansatzweise zu beseitigen, musste er gar nicht erst sprechen. Dafür aber verwies er auf die Milliarden, die in die Abfindung von Energiekonzernen und den Rückbau von Atomkraftanlagen fließen werden.

Zum Abschluss seines Vortrages betonte Felix Riedel, dass die Windkraft nur ein Baustein im neuen Handeln sein kann. Eine Wärmewende (weg von Heizungen auf fossiler Basis) sei so unabdingbar wie eine Verkehrswende. Die Energiewende könne aber durch Windkraft geprägt werden: „Mit doppelt so vielen und doppelt so guten Anlagen ist das möglich.“ 2020 stammte bereits ein Viertel unseres Stroms aus Windkraftanlagen zu Wasser und zu Land. Für sich genommen, besonders aber in Relation zu herkömmlichen Energieträgern und mit Blick in eine gute Zukunft macht immer die Windenergie den Stich, könnte die Zusammenfassung des Vortrags lauten.

Mit Mut in die Zukunft

Isabell Steidel flankierte im Anschuss diese Ausführungen. „In der aktuellen Diskussion wird die ziellose Suche nach einem Atommüllendlager völlig ausgeblendet.“ Während erneuerbare Energien reversibel seien, könne das auf herkömmliche Energieträger, wie Felix Riedel bereits ausgeführt habe, niemals zutreffen. Wenn sie in der Welt seien, müsse man über Jahrzehnte und Jahrhunderte mit den Folgen umgehen. Dringend notwendig sei daher eine Beschleunigung von Planungsverfahren: Nach Isabell Steidels Darstellung benötigen Windanlagen sieben Jahre lang Vorlauf. „Zeit, die wir nicht haben.“

Ihr war es aber wichtig, Mut zu machen, statt Ängste zu schüren, wie es rückschrittliche Parteien und Gruppierungen machen. Zwar glaubt sie wie ihr Vorredner nicht an ungebremstes Wachstum in Verbindung mit Klimaschutz. „Wir brauchen Suffizienz. Alles muss auch mal genug sein“, appelliert sie. Natürlich kostet das Geld. Die energische 24-Jährige wehrt sich aber gegen die Behauptung, dass man sich Klimaschutz nicht leisten kann. „Was wir uns tatsächlich nicht leisten können, sind die Kosten, die entstehen, wenn wir so weiter machen wie bisher.“ Durch eine Pro-Kopf-Pauschale könne man höhere CO-2-Kosten abfedern, warb sie: „Geringverdiener werden nicht stärker belastet.“ Dabei kritisierte sie, dass Energieunternehmen mit Milliarden abgefunden werden, „weil sie ab 2038 keine Gewinne mehr machen“, statt dieses Geld in soziale Transformation zu investieren.

Fröhlich, fachkompetent, erfrischend – Isabell Steidel und Felix Riedel

Hinsichtlich der Bundestagswahl gab sie sich für ihre Partei zuversichtlich. Das Zusammengehen mit Armin Laschet müsse für eine demokratische Partei möglich sein, würde aber grüne Zielsetzungen deutlich abschwächen. Sie hofft auf eine Koalition mit der SPD; nur so sei eine wirkliche politische Veränderung zu erreichen. (jpw)

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.